Ich habe meine Freundin betrogen. Auf der Weihnachtsfeier. Der Klassiker. Dabei habe ich eigentlich bemerkt, dass ich sie wirklich liebe. Wir hatten uns aber schonmal getrennt wegen Untreue meinerseits, aber damals war alles ganz anders. Was soll ich jetzt machen. Ich würde es ihr so gerne sagen, ich schwitze nachts manchmal richtig und quäle mich. Andererseits hat es wirklich nichts bedeutet und ich möchte mit ihr zusammen bleiben.
Johanna Degen: Das klingt wirklich nach einer schwierigen Situation. Wer nachts schwitzt und sich quält hat wohl ein schlechtes Gewissen und das ist doch gut, denn es zeigt einem, dass etwas schief gelaufen ist, also von den eigenen Werten abgewichen ist. Ich sage immer zu Klienten, die ein schlechtes Gewissen haben: Herzlichen Glückwunsch, das ist doch positiv. Man weiss dann, dass man so nicht Handeln möchte und damit auch wo die eigenen Werte liegen.
Ein therapeutischer Ansatz ist, zu fragen, ob es der Beziehung hilft es zu sagen und da spalten sich die Meinungen. Mancher sagt, ja, das ist wichtig, Ehrlichkeit gehört zu jeder Beziehung. Dann kann man mit allem umgehen. Andere sind überzeugt, ehrlich ist man nur für sich, also man wünscht sich Entlastung durch die Beichte. Ich würde situativ entscheiden. Wenn ich bei Ihnen bleibe, Sie quälen sich, was muss passieren damit das aufhört. Entweder Sie akzeptieren, dass Sie, nach Ihrem Maßstab, wiederholt falsch gehandelt haben und glauben sich, dass es nicht wieder passiert. Oder Sie überlegen, was Ihre Partnerin wünschen würde. Ist sie der “will ich nicht wissen” Typ oder der “Wahrheit ist ein hoher Wert” Typ? Davon würde ich es abhängig machen. Ich würde es aber komplett von der Angst entkoppeln, was die Konsequenz sein könnte.
Drehen Sie es um, ist Ehrlichkeit Ihr Wert oder reicht die innere Erkenntnis für Sie und die Schonung der Partnerin? Dauerhaft ein Verhalten zu etablieren, was der Partner als nicht wünschenswert und Verletzten interpretieren würde, ist dabei meines Erachtens nach nicht der richtige Weg. Überlegen Sie womit Sie und Ihr Partner gut leben können. Das unangenehme ist eben, werden Sie eines Tages am Altar mit reinem Gewissen oder Gewissensbissen stehen- mal als plakatives Beispiel und das ist individuell sehr unterschiedlich.